Die psychische Belastung im Agrarberuf wird häufig unterschätzt

L P D – „Wenn du alles in deinen Rucksack packst, was du erlebst, brichst du irgendwann zusammen – du musst auch mal für Ausgleich sorgen.“ Mit diesen Worten beschreibt Christoph Rothhaupt, Landwirt und Familienberater, einen zentralen Punkt seiner Botschaft: Wer in der Landwirtschaft arbeitet, trägt viel Verantwortung – für Tiere, Flächen, Familie und Tradition. Doch diese Verantwortung kann zur Belastung werden, wenn sie völlig das eigene Leben bestimmt.

Rothhaupt weiß, wovon er spricht. Eindrücklich nahm er die Mitglieder des Ausschusses für Sozialpolitik des Landvolks Niedersachsen mit durch seine Geschichte. Der 42-Jährige bewirtschaftet heute im Nebenerwerb einen Biobetrieb mit kleiner Kuhherde. Früher führte er einen 130-Hektar-Milchviehbetrieb mit rund 100 Kühen. Als sein Vater verstarb und er plötzlich mit 30 Jahren die Verantwortung für Familie und Betrieb übernehmen musste, geriet er an seine Grenzen. „Ich war irgendwann in einem Dämmerzustand und fragte mich: Soll das das Leben sein?“, erzählt er. „Ich empfand mich als Last und wollte einfach nur, dass der seelische Schmerz aufhört.“

Den Wendepunkt brachte der Kontakt zur Ländlichen Familienberatung. „Das Reden war der erste Schritt“, erzählt er. „Die Beraterinnen und Berater kommen selbst aus der Landwirtschaft. Sie verstehen, wovon man spricht. Die Gespräche sind keine Therapie, aber eine große Stütze. Auch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) bietet Unterstützung: Über die 24-Stunden-Krisenhotline können Landwirtinnen und Landwirte rund um die Uhr psychologische Hilfe erhalten – schnell, anonym und unbürokratisch.

In vielen Gesprächen mit Berufskollegen beobachtet Rothhaupt, dass Arbeit oft an erster Stelle steht, noch vor der Familie. „Das ist nachvollziehbar, aber gefährlich. Wenn der Selbstwert nur an der Arbeit hängt, bleibt die eigene Person auf der Strecke“, warnt er. Diese Fixierung auf Leistung und Verantwortung kann über Jahre hinweg in einen Burnout und zu Depressionen führen. Das Burnout-Syndrom entwickelt sich meist schleichend über Monate oder Jahre. „Oft verlieren Betroffene die Beziehung zu sich selbst“, erklärt Rothhaupt. „Man funktioniert nur noch für den Betrieb, Familie und Freunde treten in den Hintergrund.“

Heute spricht Christoph Rothhaupt offen über seine Erfahrungen mit Burnout und seelischer Erschöpfung. „Das hilft mir selbst und ich merke, dass es auch anderen hilft“, sagt er. Sein Ziel ist psychische Erkrankungen zu enttabuisieren. Denn gerade in der Landwirtschaft ist das Risiko hoch: schwankende Preise, Wetterextreme, Bürokratie und gesellschaftlicher Druck setzten viele Betriebe dauerhaft unter Druck.

„Die Landwirtschaft an sich macht nicht krank“, betont Rothhaupt. „Aber die Belastung kann krank machen, wenn man keine Grenzen zieht und nicht über sie spricht.“ Sein Appell: „Selbstbewusstsein heißt, sich selbst bewusst zu sein. Wir müssen uns fragen: Bin ich mehr als meine Arbeit? Wenn wir uns keine Zeit für unsere mentale Gesundheit nehmen, müssen wir uns irgendwann Zeit für die Krankheit nehmen“. Er wünscht sich für den Menschen hinter dem Betrieb mehr Offenheit, mehr Miteinander und mehr Wertschätzung.

Hilfe und Angebote gibt es bei der Landwirtschaftlichen Familienberatung (landesweit), bei der Krisenhotline der SVLFG (landesweit) und bei Landwirtschaftliche Sorgentelefone und Familienberatungen in Niedersachsen. (LPD 82/2025)

Alisha Trilling

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