Heimische Äpfel bleiben liegen, weil Obst-Sammler fehlen / Zukauf aus EU

L P D – Mehrfachnutzung und Artenvielfalt sind die Hauptkriterien einer Streuobstwiese. Während die Wiese zumeist ökologisch als Weideland genutzt wird, liefern die in der Landschaft „verstreut“ stehenden hochstämmigen Obstbäume die Früchte wie Apfel, Kirsche, Birnen oder Pflaumen. Doch Nutzen, Wissen und Bestand rund um die Streuobstwiesen sind gefährdet: „Es gibt keine Sammler mehr. Die Bückgeneration, so nenne ich die älteren Sammler, stirbt aus. Zudem gibt es kaum noch Apfelannahmestellen“, erklärt Andreas Creydt von der gleichnamigen Fruchtsaftkelterei im südniedersächsischen Dassel gegenüber dem Landvolk-Pressedienst. Creydt versucht mit viel Kreativität und Enthusiasmus, Streuobst wieder in aller Munde zu bringen.

Streuobstwiesen gelten als Ursprung für alte Obstsorten, mehr als 1.500 Apfelsorten sind bekannt. „Obst ist in Südniedersachsen reichlich vorhanden, aber es gibt keine Leute, die es aufheben. Selbst Profi-Pflücker aus Russland oder der Türkei sind schwer zu finden, und der Mindestlohn macht es für die meist kleinen Keltereien nicht einfacher“, schildert Creydt die Lage. Zwar hat der Obstfachmann Ideen für eine maschinelle Ernte, doch er findet keine Firma, die „seinen“ Streuobst-Auffangrüttler baut. Daher werden nur noch wenige Streuobstäpfel von den Sammlern aus der Region bei der Kelterei abgegeben. Die übrigen Äpfel bleiben am Boden liegen, stattdessen werde Ware von Plantagen zugekauft. „Ein Wahnsinn, sind Äpfel von Streuobstwiesen doch die ursprünglichsten regionalen und ökologischen Vitaminbomben überhaupt“, sagt Creydt.

Doch der Verbraucher bevorzuge „schöne“, makellose Äpfel – und die Ansprüche würden immer höher, sagt Creydt. „Früher haben die Leute gesünder gelebt, denn Mineralstoffe und Vitamine nimmt man über Obst und Saft auf und nicht über Mineralwasser“, erklärt der Apfelfachmann und verweist über den sinkenden Apfelsaft-Pro-Kopf-Verbrauch von 44 Liter im Jahr 2000 auf jetzt 28 Liter. Die Gerbstoffe, die im Streuobst besonders reich vorhanden sind, machen den Unterschied aus und unterstützen die Gesundheit: „Der Mix macht’s. Streuobst ist saurer als normales Obst. Safttrinker haben keine Herzprobleme“, ist Creydt überzeugt und begrüßt die Wiedereinführung des Schulobstprogramms an 1.264 niedersächsischen Schulen und 827 Kindergärten.

Der Saftproduzent aus dem Solling hat während seiner 50 Vegetationsperioden viele Ideen umgesetzt, um Streuobst wieder modern zu machen und Anreize zum Sammeln zu bieten. Neben der Anlage eigener Streuobstwiesen und dem Aufruf Apfelannahmestelle einzurichten, stellt er gegen ein kleines Pfand Säcke zum Sammeln zur Verfügung, organisiert mit Jugendfeuerwehr, Landwirtschaft und Schulkassen Sammelaktionen oder hat Baum-Patenschaften angeregt – mal mehr erfolgreich, mal nur von kurzer Dauer und somit nicht nachhaltig. Gesetze und EU-Regelungen erschweren zudem solche Aktionen. Früher habe er Straßenbäume „gekauft“ und von Rentnern ernten lassen. Heute müssen Versicherungen abgeschlossen werden, die den Straßenverkehr berücksichtigen. „Viele Bäume sind zudem zu alt und sterben weg. Das Land Niedersachsen müsste das Streuobst-Programm erneuern und dringend aufforsten. Tier-, Pflanzen- und die Obstsortenvielfalt auf Streuobstwiesen können nur durch fachgerechte Pflege, wozu auch der fachgerechte Baumschnitt gehört, erhalten werden. Demnach gehört er gefördert“, kritisiert Creydt die Politik.

Zudem muss die Wiese zwei Mal im Jahr gemäht werden. Alles in allem ist die Streuobst-Ernte mühselig: Aufgrund der vielen unterschiedliche Sorten und Reifezeitpunkte wird in mehreren Durchgängen geerntet. Da Keltereien diesen Mehraufwand nicht mehr angemessen bezahlen konnten, wurde die Obsternte auf den Streuobstwiesen unrentabel. Um trotzdem diese wertvollen Rohstoffe nicht am Boden vergammeln zu lassen und stattdessen zu hochwertigen Lebensmitteln zu verarbeiten, zahlen Mosterzeuger, wie auch die Dasseler Kelterei, den Sammlern einen Aufpreis, der über dem marktüblichen Preis liegt.

Unter dem Label „Kultur.gut“ trägt auch Creydt zur Wiederbelebung der Streuobstwiese bei und unterstützt damit den Klimaschutz: „Der Verbraucher darf sich darüber freuen, einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Streuobstwiesen zu leisten. Kurze Wege, Transparenz und regionale Wertschöpfung, Pflege der heimischen Kulturlandschaft und Förderung artenreicher Lebensräume sowie Sortenvielfalt und natürlicher, charaktervoller Geschmack kennzeichnen diesen Saft. Bis heute gibt es zahlreiche Lokalsorten, die man nur hier oder dort findet. Diesen Schatz an unterschiedlichen Sorten gilt es zu erhalten“, erklärt Creydt. Er glaubt, dass die Streuobstwiese in Zukunft eine Chance hat, wenn das Wissen um die Bedeutung und Pflege dieser wertvollen Biotope den nächsten Generationen erhalten bleibt. Deshalb wird er nicht müde, Bürger und Bürgerinnen aufzurufen, ihren Beitrag zum Schutz von Streuobstwiesen zu leisten, indem sie regionale Streuobstprodukte kaufen oder selbst in einer Gruppe in ihrer Nähe oder als aktiver Sammler aktiv werden. Creydt selbst lässt pro verkaufter Flasche 0,7 l-Flasche Kultur.gut-Apfelsaft 10 Cent in umweltbezogene, kultur- und bildungsfördernde Projekte und soziale Innovationen rund um das Thema Streuobst fließen. (LPD 56/2023)

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