Ausschuss kritisiert Label-Dschungel beim Rindfleisch
L P D – Der sogenannte „Haltungswechsel“ des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) schreitet auch beim Rindfleisch voran, teilt das Landvolk Niedersachsen mit. Namhafte Lebensmitteleinzelhändler haben Ziele zur Umstellung ihres Fleisch- und Molkereisortiments auf höhere Haltungsformstufen formuliert und zum Teil bereits erreicht. Beim Rindfleisch wird die Haltungsformstufe 3 forciert, die neben einem größeren Platzangebot auch einen Außenklima-Reiz für die Tiere vorsieht. „Da gibt es nun einen Label-Dschungel beim Rindfleisch, den Verbraucher und sogar Erzeuger kaum nachvollziehen können“, moniert der designierte Vorsitzende des Rindfleischausschusses beim Landvolk Niedersachsen, Felix Müller.
Auf der Webseite www.haltungsform.de werden alle Programme für Milch, Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch aufgeführt und in die Haltungsformstufen des LEH einsortiert. „Inzwischen sind allein 30 verschiedene Label für Rindfleisch in Haltungsformstufe 3 gelistet“, sagt Landvolk-Fachreferentin Natascha Henze. Dabei stamme jedes dieser Programme von einem einzelnen Abnehmer, sei es ein bestimmter Schlachtbetrieb oder ein Lebensmittelhändler. Für Felix Müller liegt genau hier das Problem: „Wir benötigen dringend einen einheitlichen Standard für Rindfleisch aus Haltungsformstufe 3. Derzeit sind wir Rindermäster stark von einem einzelnen Abnehmer abhängig, wenn wir uns für eine Programmteilnahme in Stufe 3 entscheiden“, erläutert der Landwirt aus dem Ammerland.
Eine gegenseitige Anerkennung der Teilnahme zwischen den einzelnen Labeln ist aufgrund der teils unterschiedlichen Anforderungen der Programme nicht ohne weiteres möglich – und ein Wechsel der Abnehmer somit erschwert. Der LEH hat sich zwar auf gewisse Rahmenbedingungen für die einzelnen Haltungsformstufen geeinigt, allerdings legt jedes Label diese individuell aus. Dadurch ist bei der Vielzahl der Programme die Vergleichbarkeit der einzelnen Label sowohl für Landwirte als auch für Verbraucher eingeschränkt.
Einen besseren Überblick würde ein einheitlicher Branchenstandard liefern, wie es ihn mit der Initiative Tierwohl (ITW) bereits für die Haltungsformstufe 2 gibt. Dabei bietet die ITW den Vorteil, dass hier neben der Fleischwirtschaft und dem LEH auch die Landwirtschaft am Entstehungsprozess beteiligt ist, während die Anforderungen bei allen anderen Labeln allein von der Abnehmerseite festgelegt werden. „Eine Strategiegruppe der ITW mit Vertretern der Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und des LEH diskutiert aktuell ein Kriterien-Set für einen einheitlichen Standard für Rindfleisch aus Haltungsformstufe 3“, berichtet Lena Schöneboom-Ernst, zuständige Referentin beim Deutschen Bauernverband (DBV) in der jüngsten Sitzung des Rindfleischausschusses. „Neben der Ausgestaltung einzelner Kriterien und den Anforderungen an die Fütterung ist hierbei die Einbeziehung von älteren Stallgebäuden, bei denen sich nicht ohne Weiteres ein Außenklimareiz umsetzen lässt, eine Herausforderung.“
Während bei Schweine- und Geflügelfleisch der „Haltungswechsel“ schrittweise erfolgt und aktuell die Haltungsformstufe 2 am Markt dominiert, wird diese Stufe vom LEH beim Rindfleisch übersprungen. Gründe hierfür werden u. a. in dem nicht ausgeglichenen Verhältnis von Kuh- und Jungbullenfleisch in den einzelnen Haltungsformstufen gesehen. Kuhfleisch ist zahlreich in Haltungsformstufe 3 verfügbar, weshalb der Schlachtwirtschaft und dem LEH daran gelegen ist, ebenfalls mehr Jungbullenfleisch aus Haltungsformstufe 3 zu beziehen. „Wir Landwirte sind bereit, unseren Tieren einen höheren Tierwohlstandard zu bieten, allerdings müssen wir auch wirtschaftlich denken und benötigen angemessene Zuschläge für höhere Haltungsformen. Hier sind der LEH und die Verbraucher in der Pflicht“, bekräftigt Müller abschließend. (LPD 28/2024)