Landvolk fordert überregionales Management – Genaue Zahlen fehlen

L P D – Jedes Mal, wenn die Gans ihren Kopf senkt, schnappt sie einen kleinen Halm und zupft die junge Pflanze komplett aus dem Boden. „Jeder Biss ist ein Schaden, und diese große Schar an Tieren frisst unfassbar viel“, fasst Carl Noosten, Vorsitzender der Arbeitsgruppe (AG) Gänse im Landvolk Niedersachsen, zusammen. Vormals grüne Äcker mit Sommergetreide seien nach wenigen Stunden komplett kahl. Bei den Landwirten, für die die Sommerung bereits die zweite Aussaat auf der Fläche ist, nachdem die Nonnengänse bereits den Winterweizen gefressen haben, ist die Anspannung groß. Denn: Sommersaatgut ist in diesem Jahr sehr knapp und teuer. „Der Leidensdruck ist riesig, und die Zeit läuft“, gibt Noosten die Stimmung unter seinen Berufskollegen wieder.

Was als Erfolg des Artenschutzes zu werten ist, entwickelt sich mittlerweile zur Plage mit zunehmenden Ernteschäden in der Landwirtschaft. Neben den jungen Getreidetrieben laden vor allem die nahrhaften Wiesen und Weiden dazu ein, zu rasten und sich dort wohlzufühlen. Die Bauern stehen ratlos davor. „Ein dauerhaftes Vergrämen oder Abschüsse sind verboten, obwohl die Schäden von Jahr zu Jahr zunehmen“, erläutert Noosten. Vor allem, weil die Nonnengänse seit einigen Jahren zwei Wochen eher in ihre Überwinterungsgebiete kommen und erst Mitte Mai wieder abziehen.

„Wir haben ein europäisches Regelwerk durch die Vogelschutz-Richtlinie. Trotzdem ist es erstaunlich, wie unterschiedlich in unseren Nachbarländern Niederlande und Dänemark verglichen mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Nonnengänse gemanagt werden“, sagt Erich Hinrichs als Mitglied der Arbeitsgruppe Landwirtschaft der AEWA European Goose Management Group. Bei so beweglichen Arten wie Nonnengänsen sei es dringend erforderlich, über nationale Grenzen hinweg das Management zu betreiben. „Management bedeutet nicht zuerst Jagd, sondern fängt mit gutem und ehrlichem Bestandsmonitoring an“, prangert Hinrichs unzulängliche Zählungen an. Das Problem bestehe darin, dass längst nicht alle Gänse erfasst werden, weil sie sich auch außerhalb der Zählgebiete aufhalten.

Deshalb begrüßen die Landwirte in Niedersachsen, dass Ornithologen beim Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel (AEWA) die Initiative ergriffen und Managementpläne für Nonnengans und Graugans auf den Weg gebracht haben. „Leider torpediert das Bundesumweltministerium diese Arbeit der AEWA Goose Management Group dieser Wissenschaftler weitgehend, offensichtlich aus ideologischen Gründen“, gibt Hinrichs einen Einblick hinter die Kulissen. Der gute Erhaltungszustand dieser Arten sei derzeit mehr als gesichert. „Jetzt geht es darum, Konflikte mit der Landwirtschaft und mit dem Flugverkehr zu reduzieren“, lautet seine Einschätzung. Denn gerade die Gänse, die auf den landwirtschaftlichen Flächen fressen, verursachen hohe Schäden. Dementsprechend gerupft sehen auch die Weideflächen aus, und für die Milchkühe der Landwirte in den Gebieten bleibt kaum etwas übrig. „Die Kühe haben keine Lust nach draußen zu gehen, wenn die Gänse da sind, die drehen wieder um und gehen in den Stall zurück“, hat Noosten beobachtet. Auch der Mähzeitpunkt des wertvollen ersten Schnitts muss oft verschoben werden – zu Lasten der Qualität des Futters für die Milchkühe. (LPD 29/2024)

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