Egestorf (ccp). Die Erzeugung von Lebensmitteln und Energie sind die traditionellen Geschäftsbereiche der Landwirtschaft. Künftig werden Umwelt- und Naturschutz als weitere Sparten hinzukommen – aber es gibt kaum Märkte, an denen man diese Leistungen anbieten und Erlöse erzielen kann. Mit diesen Gedanken führte Henning Jensen, Geschäftsführer des Landvolk-Kreisverbandes Lüneburger Heide, in die Thematik des Junglandwirtetags in Egestorf ein. Welche Chancen tun sich im Berufsstand auf? fragte Jensen und überließ die erste Antwort Claas Steinhauer vom Bauernverband Nordost Niedersachsen (BVNON). Steinhauer beschrieb das Projekt seines Verbandes unter dem Titel „Klima-Bauern – Landwirtschaft macht Klimaschutz“.
Der BVNON nimmt mit seiner Aktion an der nationalen Klimaschutz-Initiative teil und richtet seinen Focus darauf, den Bedarf an Lebensmitteln möglichst effizient zu erzeugen. Dafür wurden auf Betriebsebene Bilanzen erstellt, die den Ausstoß an Treibhausgasen abbilden. Bezogen wurden die Werte am Ende auf den Naturalertrag einschließlich der Nebenprodukte. In der Bilanz für die Zuckerrübe wurde deutlich, dass die CO2-Emissionsquelle Boden den größten Anteil an den Gesamtemissionen hat (67 Gramm je kg Rübe), gefolgt von Lachgas aus dem Boden (41 g) und Diesel, Strom, Saatgut, Pflanzenschutz (20 g). Die Grunddüngerbereitstellung folgt mit 4 g und die Stickstoffdüngerbereitstellung mit 10 g. In der Summe ergeben sich 142 Gramm CO2 Emissionen pro Kilo Zuckerrüben. Auf der Habenseite schreibt der BVNON 39 Gramm für die Lieferung von Kraut und Zwischenfruchtanbau gut und kommt auf einen CO2-Fußabdruck von netto 103 Gramm. Mit Maßnahmen zur Einarbeitung von Wirtschaftsdüngern sowie technischen Maßnahmen zum Diesel- und Stromsparen lassen sich, wie es heißt, rund 14 Prozent einsparen.
Ein weiteres Arbeitsfeld der Klima-Bauern des BVNON ist das Carbon-Farming, also die gezielte landwirtschaftliche Aktivität zur Kohlenstoffspeicherung im Boden. Den größten Einfluss auf die CO2-Speicherung hat der Boden per se. Die Landnutzung und geringfügig das Klima nehmen in den oberen 30 cm des Horizonts allerdings zu. Grundsätzlich gilt dabei, dass hohe Sandgehalte und hohe Vorräte den Abbautrend begünstigen. Sichere Aussagen wird es erst in einigen Jahren geben.
Die Kritik am Carbon-Farming bezieht sich auf die ungeklärte Frage, wie dauerhaft die erbrachte Anreicherung garantiert werden kann sowie die Problematik, dass der als Referenzwert gemessene Humusanteil nicht gleich Kohlenstoffaufbau ist.
Mit dem Schlagwort „Auf in ein neues Morgen“ stellte Julius Vielhauer das Unternehmen Klim, Carbon Farmed Solutions GmbH, vor. Klim steht für Klimaschutz und Bodengesundheit durch regenerative Landwirtschaft. Die Prinzipien des Verfahrens basieren auf dauerhafte Durchwurzelung und Bodenbedeckung, auf aktives Bodenleben, minimale Bodenstörung und integrierte Tierhaltung. Wer sich auf der Klim-App anmeldet und seine regenerativen Maßnahmen per Fotodokument nachweist, erhält eine finanzielle Vergütung. Dabei muss darauf geachtet werden, dass bei Teilnahme an öffentlichen Agrar- und Umweltmaßnahmen keine Doppelförderung erfolgt.
Klim versucht, Industrieunternehmen zu werben, die mit einem Klim-Label ihr Umweltbewusstsein marketingmäßig darstellen und das Projekt finanziell ausstatten. „Derzeit gibt es mehr Nachfrager aus der Industrie als Anbieter aus der Landwirtschaft.“
Nach einem Jahr sind laut Vielhauer 1.400 Landwirte auf der App mit etwa 6.000 Hektar Nutzfläche. Es sei eine Speicherleistung von 1.400 Tonnen CO2 erreicht worden und mit 30 Euro je Tonne Speicherleistung honoriert worden.
Wie Robert Kero, Umweltreferent beim Deutschen Bauernverband (DBV), anlässlich einer Videoschalte zum Junglandwirtetag sagte, macht sich auch sein Verband für einen privaten Markt für negative Emissionen stark. Kero setzt allerdings wenig Hoffnung in das Carbon-Farming, da seitens der Bundesregierung kaum positive Signale dafür zu erkennen sind.
In der Diskussion um Treibhauseffekte ist die Landwirtschaft nach seinen Worten aus zweierlei Gründen gekniffen. Während andere Sektoren mit einer geschützten und kontrollierten Produktion ein beachtliches Minderungspotential haben, lebt und arbeitet die Landwirtschaft mit natürlichen Emissionen u.a. in Form von Lachgas und Methan. Auf diese Weise dürfte der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgas(THG)-Emissionen von Jahr zu Jahr steigen und Emissionszertifikate teurer werden. Kero: „Emissionshandel funktioniert nur, wenn man Emissionssenkung auch kann. Da Landwirtschaft mit natürlichen Emissionen konfrontiert ist, ist dieser Sektor für den Handel ungeeignet.“
Derzeit liegen die THG-Emissionen der Landwirtschaft bei 62,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. Seit 1990 betrug der Rückgang vor allem wegen des Abbaus der Tierbestände etwa 20 Millionen Tonnen.
Veranlagt man allein den Bereich Landnutzung und Forstwirtschaft in einem Paket und berücksichtigt die Treibhausgas-Senken der Forstwirtschaft (2019 ca. 17 Millionen Tonnen), dann ergibt sich für diesen Sektor eine Senkeleistung von netto 11, 3 Millionen Tonnen. Durch weiträumige Waldschäden rechnet man jedoch mit einer Nullsumme in der Bilanz und positiven Werten in der Zukunft. Die aktuellen Senkeziele der Bundesregierung mit 30,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2030 hält Kero wie viele andere Ziele für reine Luftschlösser.