Nutzung einer landwirtschaftlichen Fläche für Photovoltaik birgt Risiken

L P D – Bis 2045 will Deutschland seine Energien ausschließlich aus treibhausgasneutralen Quellen beziehen. „Das sind nur noch 20 Jahre, das ist sehr ambitioniert“, verdeutlichte Helmut Wahl von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bei der Informationstagung zum Thema Agri-Photovoltaik (PV), die die Landwirtschaftskammer Niedersachsen und das Landvolk Niedersachsen gemeinsam in Verden veranstalteten und zu der rund 200 interessierte Landwirte kamen. Das Fazit: „Agri-PV ist anspruchsvoll, aber machbar“. Besonders die bürokratischen Hürden erschwerten Landwirten den Einstieg. „Das muss einfacher gehen!“, forderte Jochen Oestmann, Kreislandwirt aus dem Heidekreis, deshalb.

Obwohl Niedersachsen nicht als sonnenreichstes Land bekannt ist, wurden in den vergangenen zwei Jahren viele Photovoltaikanlagen gebaut – entweder auf Dächern oder als Freiflächen-Photovoltaik. Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Module so hoch aufzuständern, dass darunter Ackerbau betrieben werden kann oder dass sie senkrecht – ähnlich wie Zäune – aufgestellt werden und zum Beispiel Tiere dazwischen weiden. „Das besondere an Agri-PV ist, dass die Fläche trotz Photovoltaik landwirtschaftlich genutzt werden kann und muss“, erläuterte Wahl. Sie behalte dadurch ihren Status als landwirtschaftliche Fläche, was für den Landwirt steuerliche und erbrechtliche Vorteile habe, und es gehe der Lebensmittelerzeugung weniger Fläche als ohnehin schon verloren. Zudem versprächen sich die Landwirte Vorteile für die Pflanzen durch die Beschattung, den Schutz vor Hagel, Hitze und Starkregen. „Erfahrungen oder Versuche gibt es dazu aber kaum“, sagte Wahl.

Er empfahl den Landwirten, sich als Erstes Gedanken über die richtige Fläche zu machen. „Der Netzverknüpfungspunkt entscheidet über die Wirtschaftlichkeit“, nannte er eine Grundvoraussetzung. Zudem müsse dort eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) möglich sein. „Die Stromvermarktung ist ein Riesenthema“, ging er einen Schritt weiter. Entweder speise der Landwirt ins Stromnetz ein oder vereinbare eine Direktvermarktung mit einem großen Abnehmer. Zusätzlich müssten die Vorgaben des EEG erfüllt, ein landwirtschaftliches Nutzungskonzept erstellt und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit überprüft werden. In seiner Beratertätigkeit erlebt er derzeit eine große Nachfrage nach Anlagen, die dem Verlauf der Sonne folgen, 2,10 Meter hohen Anlagen unter denen geackert werden kann, sowie Solarzäunen, zwischen denen eine Tierhaltung möglich ist. Bereits umgesetzte Projekte seien in Niedersachsen jedoch an einer Hand abzuzählen.

„Der landwirtschaftliche Ertrag muss während der gesamten Förderdauer mindestens 66 Prozent des Referenzertrages erreichen“, wies Harald Wedemeyer, Rechtsanwalt beim Landvolk Niedersachsen, auf eine große Herausforderung hin. Dieses und der Stand der Technik werde alle drei Jahre durch einen Gutachter überprüft. Ausgeschlossen von den besonderen Anlagen auf Ackerflächen, Dauerkulturen und Grünland seien Moor und Naturschutzflächen. Auf Dauergrünland könne die Nutzung entweder durch Mahd oder durch Beweidung erfolgen. Geflügel oder Schweine kämen für eine EEG-Förderung jedoch nur im Falle einer Weidemast, wie etwa bei Gänsen in Frage, bei Hühnern sei dies fraglich. „Die zerstören die Grasnarbe und dann könnte die Fläche bei der Kontrolle durch den Gutachter aberkannt werden“, befürchtete Silke Foget, Rechtsanwältin beim Landvolk Niedersachsen. Obwohl es sich aus landwirtschaftlicher Sicht anbieten würde, könne sie die Haltung von Legehennen auf einer Fläche mit Photovoltaikanlage aus juristischer Sicht daher nicht empfehlen.

Die wirtschaftliche Seite beleuchtete Michael Kanne-Schludde von der Landwirtschaftskammer in seinem Vortrag. „Sollen PV-Anlagen auf der Fläche nach EEG-Sätzen vergütet werden, ist ab einer Anlagengröße von einem Megawatt die Teilnahme an einer Ausschreibung Pflicht. Bietet der Betreiber einen zu hohen Preis, fliegt er komplett raus“, führte er aus. Unsicherheiten ergeben sich zudem aktuell dadurch, dass Maßnahmen aus dem Solarpaket 1 zur Bevorzugung von Agri-PV rechtlich nach wie vor nicht wirksam seien. Zudem nähmen Szenarien wie negative Strompreise und Netzüberlastungen mit jeder weiteren Photovoltaikanlage zu. „Ein Tag im Juni sollte Photovoltaikanlagen-Betreibern eigentlich Spaß machen“, sagte Kanne-Schludde. Wenn der Strompreis durch die hohe Strommenge zwischen 10 und 16 Uhr und zu wenig Verbrauch zu dieser Zeit drei Stunden am Stück negativ werde, entfalle für Neuanlagen mit einer Leistung ab 400 kWp für diesen Zeitraum jedoch die EEG Einspeisevergütung. Ab 2027 greife diese Regelung bei Erreichen einer einstündigen Phase mit negativem Strompreis „Hätte die 1-Stunden-Regelung in diesem Jahr bereits gegolten, wären bei einer Süd-Anlage 16 Prozent des Stroms nicht bezahlt worden, weil der Strompreis negativ war, als er eingespeist wurde“, verdeutlichte er. Bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit solle man daher in jedem Fall Vergütungsausfälle berücksichtigen, rät der Fachmann abschließend. (LPD 90/2024)

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