Landvolk Lüneburger Heide lehnt den EU-Verordnungsentwurf strikt ab
Lüneburger Heide (ccp). „Hier wird nicht der Ast abgesägt, auf dem wir sitzen – hier wird die Hand abgehackt, die uns ernährt.“ Dieser Satz von Martin Peters lässt schmerzhaft spüren, mit welcher Wucht die jüngsten Pläne der EU-Kommission auf den Höfen eingeschlagen sind. Peters ist Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Landvolk Kreisverbandes Lüneburger Heide und Kreislandwirt in Harburg. Was ihn so erzürnt, ist das von Brüssel geplante Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in sämtlichen Schutzgebieten – dazu gehören u.a. Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, NATURA-2000-Gebiete und Landschaftsschutzgebiete. Im Landkreis Harburg wären davon ca. 27.500 Hektar betroffen. Das sind 44 Prozent der Landwirtschaftsfläche bzw. 40 Prozent der Ackerfläche. Im Heidekreis fallen ca. 18.000 Hektar in die Schutzkulisse. Zu etwa einem Viertel ist die Landwirtschaftsfläche einschließlich Grünland betroffen und zu 15 Prozent die Ackerfläche.
Gegenüber der Presse schilderte die Familie Cordes in Undeloh / Wesel zusammen mit dem Landvolkverband, welche Auswirkungen die Umsetzung der Brüsseler Pläne für die betroffenen Betriebe hätte. Der Betrieb Cordes liegt mit 200 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche mitten im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide und erprobt seit vielen Jahren Verfahren, um die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln so gering wie möglich zu halten. Dabei wurde im Rahmen des FINKA-Projekts auf Teilflächen getestet, welche Auswirkungen der Verzicht von Insektiziden und Herbiziden auf die Bestände hat. Wie Betriebsnachfolger Thore Cordes berichtete, fiel die Roggenernte 2021 auf den Versuchsflächen um 40 Prozent geringer aus als auf den betriebsüblich geführten Flächen. Gegenwärtig steht der Mais bei Verzicht auf Pflanzenschutz gerade mal schulterhoch, während die Pflanzen auf der Vergleichsfläche einen guten halben Meter höher gewachsen sind. (Siehe unser Foto). Die bei einem Totalverzicht von Pflanzenschutz auftretenden Mindererträge würden den Betrieb Cordes, der eine Biogasanlage, 100 Sauen- und 1000 Schweinemastplätzen betreibt, vor kaum lösbare Probleme stellen – und so geht es vielen Betrieben in den Schutzgebieten.
Aus der Vergangenheit weiß Familie Cordes, dass es auch anders geht. In der Wasserschutzkooperation und in regionalen Absprachen über kombinierte Einsätze hat man bisher Wege gefunden, die für alle Seiten gangbar waren. Aber der gesamten EU jetzt genormte Maßnahmen überstülpen zu wollen, würde Praxisferne und Politverdrossenheit auf die Spitze treiben. Tiefe Frustration verbreitet der EU-Plan bei allen, die an Schutzgebietsverordnungen auf Kreisebene gefeilt und verhandelt haben und sich am Ende einig waren, sich ein Stück näher gekommen zu sein. Jetzt – so das Fazit – macht Brüssel mit einem Federstrich möglicherweise alles zunichte.
Henning Jensen nannte das Totalverbot als schlechtestes aller verfügbaren Mittel, da es die höchsten volkswirtschaftlichen Kosten verursache. „Verbote bieten keine Wahlmöglichkeit und blockieren auch Maßnahmen, die hohe Effizienz versprechen und ein hohes Nutzen-Kosten-Verhältnis liefern.“