Seevetal (ccp). Mit der Beliebtheit des Deutschen Bauernverbandes (DBV) steht es nicht zum Besten. Während die Orts- und Kreisverbände der berufsständischen Organisation noch gute Umfragewerte erhalten, fällt die Zufriedenheit mit den Landesverbänden schon bescheidener aus. Das Spitzenpersonal in Berlin muss jedoch noch deutlichere Kritik von der Basis einstecken. Dabei steht das harte Urteil vieler Mitglieder im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung. Gerade andere Lobby-Verbände registrieren mit ungläubigem Staunen, welch wirkmächtigen Einfluss der DBV auf politische Entscheidungen auszuüben vermag – und das bei einem bäuerlichen Bevölkerungsanteil von gerade einmal 2 Prozent.
Um auch der eigenen Klientel ein Stück dieser Anerkennung abzugewinnen, hatte der Landvolk-Kreisverband Lüneburger Heide für den diesjährigen Bauerntag, der gemeinsam mit der Sparkasse Harburg-Buxtehude ausgerichtet wurde, die eigene Identität zum Thema gemacht: Landwirtschaftliche Interessenvertretung – Der Deutsche Bauernverband im politischen Berlin – so lautete der Titel.
Der Spitzenverband war prominent vertreten durch den stellvertretenden DBV-Generalsekretär Gerald Dohme, der die Art und Weise, wie wir den Staat organisieren, zum Ausgangspunkt seiner Festrede machte. „Überall verdoppelt man in Berliner Ämtern die Mitarbeiterzahl, um die Arbeit zu schaffen“, sagte Dohme und geißelte politische Weichenstellungen, „die fruchtbarste Region der Welt“ mit behördlichen Maßnahmen aus der Erzeugung zu treiben. Die globale Entwicklung sieht Dohme vor extremen Herausforderungen, nachdem sich die USA als stabilisierende Weltmacht verabschiedet habe und sich vorrangig mit selbst beschäftige.
Für den eigenen Verband bekräftigte Dohme die Zielsetzung, auf Bundesebene und in Brüssel mit einer starken Stimme vertreten zu sein. Im Bund gehe es darum, im Ringen um die Interessen verschiedener Betriebsformen einen Ausgleich zu finden. „Damit gehen wir nach Brüssel und kämpfen dort im Gegensatz zu Ländern mit zersplitterten Agrarinteressen mit einer eindeutigen und klaren Position“. Mit Hinweis auf das abgeschmetterte Gesetz zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln sagte Dohme: „Wir haben ein Vorhaben gestoppt, das große Teile der Landbewirtschaftung unmöglich gemacht hätte.“
Die Zukunft der Landwirtschaft liegt nach Dohmes Worten in modernen, zukunftssicheren und nachhaltigen Betrieben. „Deren Prozesse sind oftmals besser, wenn sie in großen Einheiten verlaufen. Der kleine Betrieb als Modellfall ist verfehlt.“ Die künftige Agrarpolitik müsse darauf gerichtet sein, den Betrieben einen direkten Zugang zu Einkommensleistungen aus dem EU-Budget zu erhalten, denn – so Dohme – der Markt wird die notwendigen Einkommen nicht garantieren. Dahinter dürfte sich ein verbandspolitisches Festhalten an der Agrarförderung in Form von Flächenprämien verbergen. Als Instrumente zur Durchsetzung landwirtschaftlicher Ziele nannte der Referent „die Wucht der Straße“ zusammen mit Demonstrationen aber auch den Bus der Interessenplattform „Eure Landwirte – Echt grün“ auf dem Marktplatz.
„Mit ihren Protesten vor gut einem Jahr ist die Landwirtschaft in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, erklärte Dohme weiter. Überwältigend sei der Zuspruch aus Verbänden des Handels, des Handwerks und des Dienstleistungsgewerbes gewesen – aber auch die Unterstützung von anderen gesellschaftlichen Gruppen. Lobend erwähnte er den durchweg rechtsstaatlichen Ablauf der Demo und die gute Zusammenarbeit mit der Berliner Polizei, die so manche knifflige Situation mitgetragen habe. Nur einmal habe es geheißen: „Wir sind nicht die Eventagentur des DBV.“
Wichtiger Punkt im aktuellen Tätigkeitsfeld des DBV ist die Ernährungssicherheit mit der Festschreibung im Grundgesetz. Auf dem Weg zu diesem Ziel weiß sich der DBV umgeben von 5.000 bis 6.000 anderen Interessenvertretern, die als Lobbyisten in Berlin aktiv sind. Sie alle haben den Auftrag, Politik in ihrem Sinne zur Entscheidung zu bringen. Ihre Adressaten sind Mitarbeiter in Ministerien sowie 630 Bundestagsabgeordnete, die erst einmal „ahnungslos“ sind. Dies gelte zumindest, was die Belange der Landwirtschaft angehe, denn im Plenum seien lediglich 9 Agrarier vertreten.
„Hier Mehrheiten zu finden ist unsere Aufgabe“, erklärte Dohme. Vertrauen sei die Grundlage dieser Arbeit und verkörpere auch das Dilemma der Interessenvertretung: Vertrauen wächst nur, wenn man Diskretion wahren kann und Erfolge nicht lauthals für sich reklamiert. Vielleicht ist dies die Erklärung dafür, dass im Lande nur bedingt wahrgenommen wird, was die eigene Vertretung im politischen Berlin erreicht.
Die großen Schnittmengen in den Forderungen von Landwirtschaft und regionalen Banken erläuterte Frederik Schröder, der als Vorstandsmitglied der Sparkasse Harburg-Buxtehude zu den Gastgebern des Bauerntags gehörte. „Wir sind von der sozialen Marktwirtschaft in die Aufzeichnungswirtschaft gewechselt“, sagte Schröder und ergänzte: „Über ein gegenseitiges Zertifizieren können wir Wohlfahrt nicht erreichen.“ Es sei eine immense strukturelle Aufgabe, den notwendigen Wandel herbeizuführen. Schröder beschrieb das sinkende Sicherheitsgefühl im eigenen Land, rief aber auch dazu auf, die Anteilnahme mit der ukrainischen Bevölkerung wach zu erhalten.
Die beiden Landvolk-Vorsitzenden Wilhelm Neven und Henrik Rump teilten sich Begrüßung und Schlusswort auf dem 15. Bauerntag. Sie wiesen auf die große wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft im ländlichen Raum hin. Darüber hinaus sei erfolgreiche Agrarpolitik in Zeiten globaler Instabilität auch eine Investition in die Sicherheit des Landes.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) mit Sitz in Berlin ist die größte Berufsvertretung der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Als föderal strukturierter Dachverband vertritt er 18 Landesbauernverbänden, 375 Kreisbauernverbände und 250.000 Bäuerinnen, Bauern und ihre Familien. Der DBV verfügt über einen Etat von etwa 10 Millionen Euro, der sich zu 6 bis 7 Millionen Euro aus den Mitgliedsbeiträgen der Landwirte speist. Weitere Einnahmequellen sind Förderungen und Mieten. 500.000 Euro werden für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben.
Der DBV beschäftigt 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei 4 Personen ihren ständigen Arbeitsplatz in Brüssel haben.