Hintergrund
Der Green-Deal, der auf EU-Ebene verhandelt wurde, sieht u.a. vor, dass der Pflanzenschutzmitteleinsatz bis 2030 EU-weit durchschnittlich um 50% reduziert werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die EU am 22.06.2022 einen Verordnungsentwurf vorgelegt, in welchem ein Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in sämtlichen Schutzgebieten (u.a. Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten, Wasserschutzgebieten, NATURA-2000-Gebieten) vorgesehen ist.
Die Position des Kreisverbandes
Der Landvolk Kreisverband hat gegenüber der Presse bereits bei einem Pressetermin auf dem Hof Cordes in Wesel (Undeloh) zu dem Vorhaben Stellung bezogen (Siehe Artikel in der Walsroder Zeitung / Böhme-Zeitung / Landvolk-Zeitung 09-2022). Weiterhin werden wir eine Stellungnahme bei der EU seitens des Kreisverbandes einreichen, in der wir die Betroffenheit der Region sowie die Belange der Landwirtschaft darstellen.
Ihre Betroffenheit / Ihre Stellungnahme
Das Landvolk ruft auch die Mitgliedsbetriebe auf, die Betroffenheit und Auswirkungen, welche sich aus der Verordnung ergeben würden, in einer Stellungnahme darzulegen. Hierbei bietet der Kreisverband Unterstützung mit Argumentations- und Formulierungshilfen. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Friederike Schlumbohm-Renken in der Geschäftsstelle Bad Fallingbostel unter 05162 – 903-114 oder f.schlumbohm-renken@lv-lueneburger-heide.de. Die Stellungnahme muss bis zum 19. September 2022 abgegeben werden.
Informationen zum Downlaod (pdf)
rot: Naturschutzgebiete; grün: Landschaftsschutzgebiete; blau: Wasserschutzgebiete
Details:
Entwurf der EU-Verordnung „sustainable use of plant protection products and amending Regulation (EU) 2021/2115“ vom 22.06.2022 (kurz: SUR; zu dt. „Verordnung […] über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/2115“
Der Green-Deal wurde auf EU-Ebene verhandelt und sieht Verbesserungen für Klima und Umwelt in Europa vor. Er soll die Transformation zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft darstellen. Hierunter sind drei wesentliche Punkte zu verstehen (vgl. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de)
- bis 2050 kein Ausstoß von Netto-Treibhausgasen mehr
- Wachstum von der Ressourcennutzung entkoppelt
- niemand, weder Mensch noch Region, wird im Stich gelassen
Im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft wurden zur Konkretisierung des Green Deals die „Farm to Fork-Strategie“, der Aktionsplan für Schadstofffreiheit sowie die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 durch die EU-Kommission verhandelt und vorgestellt. Die Ziele der Strategien sind u.a.
- 50% Senkung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes sowie -risikos bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt 2015-2017
- 25% ökologische Landwirtschaft bis 2030
- 20% Reduktion des mineralischen Düngereinsatzes 2030
- 10% Ökologische Vorrangflächen bis 2030
- Halbierung des Nährstoffüberschusses bei der Düngung bis 2030
Zur Erreichung dieser Ziele werden nun in unterschiedlichen Rechtsbereichen EU-Verordnungen entwickelt, die konkrete Maßnahmen vorsehen. Die EU-Verordnungen sind von den Mitgliedstaaten umzusetzen und zu kontrollieren. Die o.g. Verordnung zur Reduzierung des Risikos und des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln liegt im Entwurf vor. Bis zum 19. September sind Verbände und betroffene Landwirte zur Stellungnahme aufgerufen.
Inhalt des Verordnungsentwurfs zur Pflanzenschutzmittelreduktion:
- Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in sämtlichen Schutzgebieten unabhängig vom eigentlichen Schutzziel des Gebietes (u.a. Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten, Wasserschutzgebieten, NATURA-2000-Gebieten)
- Staatlich verordneter kulturartenabhängiger Pflanzenschutzplan
- Dokumentation und elektronische Meldung der Entscheidung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
- Dokumentation und elektronische Meldung erfolgter Pflanzenschutzmaßnahmen
- Verpflichtende Schulung der Anwender und verpflichtende Beratung
- Elektronische Meldung des Besitzes von Geräten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie regelmäßige technische Überprüfung
- Ggf. finanzieller Ausgleich der Einschränkungen für 5 Jahre über die gemeinsame Agrarpolitik
Auswirkungen / Betroffenheit der Verordnung zur Pflanzenschutzmittelreduktion:
- Landkreis Harburg: ca. 27.500 ha (44% der Landwirtschaftsfläche, 40% der Ackerfläche)
- Landkreis Heidekreis ca. 18.000 ha (24% der Landwirtschaftsfläche, 15% der Ackerfläche)
- Betrifft konventionelle wie ökologische Betriebe, da im VO-Entwurf Pflanzenschutzmittel (PSM) nicht differenziert werden. Auch im Ökologischen Landbau werden dort zulässige PSM eingesetzt (z.B. Kupferpräparate im Kartoffelanbau, Wein- oder Obstbau)
- Ertragseinbußen bis hin zur Einstellung des Anbaus bestimmter Kulturarten
- Erhebliche Steigerung der Ertragsschwankungen
- Mittelfristig und langfristig kein finanzieller Ausgleich für Produktionsauflagen bei Feldfrüchten, die zu Weltmarktpreisen gehandelt werden
- Umkehr vom Getreideselbstversorger zu einem Netto-Importeur
- Zunahme der Importabhängigkeit bei Nahrungsmitteln
- Lebensmittelpreissteigerung von Grundnahrungsmitteln
- Verringerung der Ernährungssicherheit
- Verlagerung der negativen Umweltwirkungen in Nicht-EU-Länder, aus denen verstärkt Agrarprodukte importiert werden
Unsere Position:
Der Landvolk Niedersachsen Kreisverband Lüneburger Heide e.V. lehnt den Verordnungsentwurf strikt ab. Wir bekennen uns zur grundsätzlichen Zielrichtung des Green Deals, den Einsatz und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln weiter zu reduzieren.
Das Reduktionsziel über ein undifferenziertes Verbot von PSM zu erreichen, sehen wir als eine der schlechtesten Möglichkeit an. Die volkswirtschaftlichen Kosten eines Verbotes stehen nicht im Verhältnis zu den Kosten von alternativen Wegen zur Erreichung des Ziels. Die landwirtschaftlichen Betriebe werden gegenüber Nicht-EU-Betrieben klar benachteiligt, da sie mittelfristig mit höheren Auflagen zu Weltmarktpreisen produzieren müssen. Die Schutzzwecke der einzelnen Schutzgebiete werden nicht berücksichtigt. In Teilen kann das Verbot hier sogar negative Auswirkungen haben, wenn z.B. in Vogelschutzgebieten statt der Pflanzenschutzspritze die mechanische Hacke und der Striegel in der Brutzeit zur Beikrautregulierung zum Einsatz kommt. Bei unveränderter Nachfrage werden wir EU-weit die Nahrungsmittelimporte erhöhen und dadurch die Abhängigkeit von anderen Staaten herbeiführen sowie negative Umweltwirkungen intensiver Produktion in Drittstaaten verlagern. Die mit dem Verordnungsentwurf einhergehenden bürokratischen Pflichten und damit verbundene Kosten stehen nicht im Verhältnis zum Nutzen. Eine Berücksichtigung bestehender nationaler Vorsorgeinstrumente wie z.B. der „Planzenschutzspritzen-TüV“ oder der „Sachkundenachweis Pflanzenschutz“ für Anwender finden keine Berücksichtigung. Die Umsetzung der Verordnung stellt einen wesentlichen und verfassungsrechtlich fragwürdigen Eingriff in das Eigentums- und Berufsrecht dar.
Wir sprechen uns aus für:
Wir sind der Auffassung, dass ein konsensualer Verhandlungsweg im Interessenausgleich für die Schutzgüter auf der einen Seite und die Belange der Nahrungsmittelproduktion auf der anderen Seite zu einem höheren Niveau an Umweltleistungen bei geringeren volkwirtschaftlichen Kosten führt. Gerade in der heutigen Krisenzeit sollte die Nahrungsmittelerzeugung in Deutschland erhalten und die Abhängigkeit von Drittstaaten vermieden werden. Dadurch kann auch mittelfristig die Ernährungssicherheit gewährleistet werden. Eine einseitige Kostenumwälzung auf die landwirtschaftlichen Betriebe sowie zusätzliche bürokratische Auflagen führen zu weiteren Betriebsaufgaben. Es gilt die landwirtschaftlichen Familienbetriebe zu erhalten. Daher sprechen wir uns aus für einen langfristigen finanziellen Ausgleich für Produktionsauflagen, die die Landwirte auf dem Weltmarkt sonst klar benachteiligen. Die Pflanzenschutzreduktionsziele sollten wir verstärkt durch Anreize und Verteilungsmodelle erreichen, die den Landwirten eine unternehmerische Entscheidung für die Erzeugung und den Einsatz von Produktionsmitteln unter Berücksichtigung der Kosten für negative Umweltwirkungen ermöglichen. Bisher erfolgreich angewendete Schulungs-, Beratungs- und Kontrollmodelle sollten weiterentwickelt und ausgebaut werden, anstatt neue Bürokratiemonster zu schaffen.
Wir werden bis zum 19. September eine entsprechende Stellungnahme bei der EU einreichen und fordern unsere Mitglieder auf, sich an der Konsultation zu beteiligen. Unterstützung dazu erhalten alle Mitglieder in den Geschäftsstellen. Darüber hinaus werden wir die Gespräche zu unseren politischen Vertretern der Wahlkreise auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene suchen und uns so für eine Änderung des Verordnungsentwurfs einsetzten.
Ihr Ansprechpartner:
Landvolk Niedersachsen Kreisverband Lüneburger Heide e.V.
Herr Henning Jensen (Geschäftsführer)