Vorerntegespräch in Garlstorf: Schafskälte im Juni hat den Vegetationsvorsprung wieder kompensiert
(kgs) Garlstorf. Wie jedes Jahr luden auch dieses Jahr Landwirtschaftskammer und Landvolk die Presse zum Vorerntegespräch ein. So trafen sich am 20. Juni Vertreter der Landwirtschaft mit der Presse, um über das vergangene Erntejahr und die Ernteprognosen des aktuellen Jahres zu sprechen. Treffpunkt des diesjährigen Vorerntegesprächs war der Betrieb von Thorsten Voigts in Garlstorf.
Einen detaillierten Überblick über die Vegetationsbedingungen seit der letzten Ernte gab Landvolk-Vorsitzender Wilhelm Neven. Im gesamten Landkreis Harburg war der letzte Herbst sehr nass, sodass es schwierig war, die Winterungen in die Erde zu bekommen. Vielerorts erfolgte die Aussaat erst im November und sogar im Dezember oder wurde gänzlich auf das Frühjahr mit einem verbundenen Wechsel der Anbaukultur verschoben. Die Monate März und April waren dann wieder etwas trockener und eine nennenswerte Frostperiode im Frühjahr war nicht zu verzeichnen. Dies kam auch den Kartoffel- und Zuckerrübenbauern zugute, die die Kartoffeln und Rüben im Frühjahr roden konnten, welche im Herbst bzw. Winter nicht aus der Erde geholt werden konnten. Während man im Mai noch dachte, dass die gesamte Vegetation dieses Jahr etwa drei Wochen früher ist als sonst, zeigte sich dann der Juni von seiner kalten Seite und die Schafskälte in den ersten knapp drei Juniwochen sorgte dafür, dass der Vegetationsvorsprung wieder kompensiert wurde. In den Hauptvegetationsmonaten Mai und Juni haben die hohen Niederschlagsmengen das durch den nassen Herbst und Winter bedingte schwache Wurzelwerk ausgeglichen. Durch diesen Vegetationsverlauf werden für die Kulturen Raps und Getreide für den Landkreis Harburg eine durchschnittliche Ernte erwartet, wobei es auch in diesem Jahr regional Unterschiede geben wird. Durch die schlechte Befahrbarkeit der Flächen im letzten Herbst wurden im Frühjahr 2024 mehr Sommerungen als in den letzten Jahren im Landkreis Harburg angebaut. Nervös werden aktuell vielerorts die Heuproduzenten, die durch die hohen Niederschläge im Juni noch kein Zeitfenster für die Heuproduktion gefunden haben.
Cord Persiehl-Schultz, neuer Wirtschaftsberater bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Team der Außenstelle Buchholz, gab anlässlich des Pressetermins einen Überblick über die hiesige Agrarstruktur, die geprägt ist von einer Vielfalt an Kulturen, von Getreide und Raps, über Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben, bis hin zu verschiedenen Obst- und Gemüsesorten sowie Tannenbäumen und Rollrasen. Demnach werden im Landkreis Harburg etwa 55.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet. Diese besteht zu etwa zwei Dritteln aus Ackerland (36.500 ha) und einem Drittel aus Grünland (18.500). Auf dem Acker werden 13.000 ha Getreide (Vorjahr 15.000 ha) und 11.100 ha (Vorjahr 10.400 ha) mit Mais bestellt. Raps wächst auf 1.300 ha (Vorjahr 1.700 ha). Weiterhin gibt es 1.100 ha Zuckerrüben und 3.000 ha Kartoffeln sowie 4.800 ha Sonderkulturen (Weihnachtsbäume, Gemüse, Obst usw.). Die Restfläche von 2.200 ha besteht mehrheitlich aus Brache- sowie Blühflächen (Vorjahr 1900 ha). Damit hat sich der Anbau auf dem Acker im Vergleich zum Vorjahr deutlich verändert. Während die Getreidefläche aufgrund der Bestellproblematik im Herbst um 2.000 ha zurückging, hat sich die Maisanbaufläche um 700 ha erhöht. Demgegenüber steht ein leichter Zuwachs bei den Sonderkulturen.
Die aktuellen Preise belaufen sich bei Getreide von 150 € bis 250 € je Tonne (Vorjahr 180 € bis 260 € je Tonne). Bei Raps liegen die Erntepreise im Bereich von 440 € je Tonne im Vergleich zum Vorjahr mit 425 € je Tonne.
Martin Peters, Kreislandwirt im Landkreis Harburg, berichtete, dass die Getreidepreise seit 2023 im Großen und Ganzen wieder auf Vorkriegsniveau liegen, es aufgrund extrem volatiler Märkte aber große Preisschwankungen gibt. So können die Preise für Getreide innerhalb eines Tages um 5-10 € pro Dezitonne schwanken. Wurde Getreide früher oft in Vorkontrakten bereits vor der Ernte verkauft, sind die Landwirte in den letzten Jahren deutlich verhaltener bei dem Abschluss von Vorkontrakten geworden, da die unterschriebenen Qualitätsparameter aufgrund der Witterungsverhältnisse häufig nicht eingehalten werden konnten.
Den realen Hintergrund des Pressetermins in Garlstorf bildete der Betrieb von Thorsten Voigts, der gemeinsam mit seinem Vater Peter zu Kaffee und Kuchen auf die Terrasse eingeladen hatte. Voigts bewirtschaftet 125 ha Ackerland, auf denen er ca. 30 ha Mais, 15 ha Raps und 80 ha Getreide anbaut. Letzteres teilt sich in Gerste und Roggen auf. Weizen wurde dieses Jahr nicht angebaut, da dies die Witterungsbedingungen im Herbst nicht zuließen. Voigts, der 50 % seiner Flächen mit dem Pflug bearbeitet und 50 % pfluglos bestellt, bewirtschaftet seine gesamten Ackerflächen ohne Beregnung. Die Flächen weisen zwischen 20 und 40 Bodenpunkte auf, wobei nur etwa 15 % sandige und der Rest bessere Böden sind. Die Maisernte in 2023 war witterungsbedingt sehr gut auf dem Betrieb Voigt, wohingegen die Getreideernte aufgrund der hohen Niederschlagsmengen im Sommer schlecht ausfiel. Der größte Teil des Getreides war Futtergetreide und neben der schlechten Qualität konnten auch wesentlich schlechtere Erträge realisiert werden. Für stehendes Getreide untypisch gab es in 2023 unheimlich viel Auswuchs, wodurch auf vielen Flächen nicht einmal mehr Futterqualitäten erreicht werden konnten. „Die Biogasanlagen haben im letzten Jahr die schlechten Getreideernten gerettet“, so der Garlstorfer, der 2023 ungewöhnlich hohe Mengen seines Getreides für die Biogasproduktion verkauft hat.
Erwartet wird dieses Jahr aufgrund der ausreichenden Niederschlagsmengen in 2024, die das durch den nassen Herbst bedingte schwach ausgebildete Wurzelwerk der Bestände kompensieren, und der damit verbundenen guten Entwicklung des Getreides im Frühjahr eine durchschnittliche Ernte, wobei über die Qualitäten noch keine konkreten Aussagen getroffen werden können.